Für die Haltung von Vögeln in menschlicher Obhut ist die Vermehrung derselben in der Voliere eine der Grundvoraussetzungen, denn Entnahmen aus der Wildpopulation sind nur im Ausnahmefall zu rechtfertigen. Eine erfolgreiche Nachzucht von Wildvögeln kann außerdem als ein Zeichen für annehmbare (nahezu artgerechte) Haltungsbedingungen der Pfleglinge gewertet werden. Für vom Aussterben bedrohte Arten ist eine Vermehrung derselben in menschlicher Obhut unter Umständen die einzige Überlebenschance.
Eine der Grundvoraussetzungen für die Vermehrung von Vögeln ist ein sicheres Zusammenstellen von Paaren, da unter Volierenbedingungen bei sehr vielen Vogelarten nur eine paarweise Haltung risikoarm abläuft. Außerdem steht oft nur eine geringe Vogelzahl zur Verfügung, sodass eine Schwarmhaltung ohnehin nicht in Frage kommt.
Bei Vögeln ohne Geschlechtsdimorphismus, das heißt, es bestehen keine (sicheren) äußerlich sichtbaren Unterschiede zwischen den Geschlechtern, bedient man sich heute zur Bestimmung des Geschlechts überwiegend der Labormethoden (Chromosomen- oder DNA-Analyse) oder der endoskopischen Geschlechtsbestimmung. Bevor diese modernen Methoden bekannt waren, mussten sich die Züchter auf sehr unsichere Methoden verlassen. Neben dem so genannten „Auspendeln“, bei dem die Sicherheit der Methode bei ziemlich genau 50% liegt ;-) , gibt es sicherlich Merkmale, die eher einem Hahn oder einer Henne zuzuordnen sind. Das klassische Beispiel hierbei sind die Graupapageien. Die männlichen Tiere sind im Durchschnitt etwas größer, haben einen breiteren Kopf und dunkleres Gefieder. Trotzdem sind die Überschneidungen zwischen den Geschlechtern so groß, dass selbst geübte Beobachter lediglich eine Trefferquote von ca. 70% erzielen können. Selbst das als relativ sicher geltende Unterscheidungsmerkmal bei vielen Kakaduarten (Henne: rotbraune Iris, Hahn: schwarzbraune Iris) ist nicht in jedem Falle zutreffend. Auch typisch „männliche“ und „weibliche“ Verhaltensmuster sind nicht beweisend. Wer also vermeiden will, dass eventuell über Jahre kein Gelege erfolgt (zwei Hähne?), oder die Eier trotz beobachteter Kopulation unbefruchtet sind (zwei Hennen?), sollte unbedingt eine Geschlechtsbestimmung vornehmen lassen. Dies ist spätestens auch dann für Zimmervögel anzuraten, wenn ein Partnervogel zugekauft werden soll, der möglichst gegengeschlechtlich sein sollte.
Beide Methoden haben bestimmte Vor- und Nachteile, auf die hier näher eingegangen werden soll:
Die Labormethoden (DNA-Analyse) haben den grundsätzlichen Vorteil der einfachen Handhabung und der frühen Durchführbarkeit (bereits bei nestjungen Vögeln). Es werden Feder- oder Blutproben untersucht. Bei den Federproben ist zu beachten, dass sie genügend DNA enthalten müssen. Daher sollen junge Federn ausgezupft und eingesandt werden, denn alte (eventuell sogar ausgefallene) Federn bestehen nur noch aus Creatin und sind nicht mehr für die Geschlechtsbestimmung geeignet! Sicherer ist in jedem Falle das Einsenden einer Blutprobe. Da die Untersuchung zeit- und ortsfern erfolgt, besteht die Gefahr von Verwechslungen. Die Labore übernehmen daher keine Gewähr dafür, dass die entsprechende Probe tatsächlich einem ganz bestimmten Vogel zugeordnet werden kann!
Bei der endoskopischen Geschlechtsbestimmung wird unter (Inhalations-) Narkose eine feine Optik über einen nur 2 bis 4 mm großen Zugang in die Bauchhöhle eingeführt. Der Untersucher sieht also direkt Hoden oder Eierstock. Neben der rein quantitativen Aussage (männlich oder weiblich) kann insbesondere zusätzlich die Qualität der Gonaden (Aussage über Zuchttauglichkeit und Zuchtkondition) eingeschätzt werden. Diese Informationen sind besonders für Züchter sehr wertvoll. Quasi nebenbei ist es möglich, auch die übrigen inneren Organe (insbesondere Niere, Leber, Magen, Darm, Milz, Lunge, Luftsäcke und sogar das Herz mit seinen abgehenden Gefäßen) zu beurteilen. Es sind keine Verwechslungen von Vögeln möglich, da unmittelbar nach der Untersuchung männliche Tiere unter dem rechten und weibliche Tiere unter dem linken Flügel mit einer Tätowierung dauerhaft gekennzeichnet werden. Wird die Untersuchung von einem erfahrenen Untersucher unter Verwendung der Inhalationsnarkose durchgeführt, so ist das Risiko bei diesem Eingriff als sehr gering einzuschätzen. Die endoskopische Geschlechtsbestimmung eignet sich allerdings nur für Vögel ab einer bestimmten Größe (ab ca. Wellensittichgröße) und ab einem Alter von mindestens 6 Wochen.