Es gibt Vogelkrankheiten die auch der modernen Tiermedizin noch große Probleme bereiten. Dazu gehört wohl in erster Linie die Infektion mit dem aviären Bornavirus (ABV). Die Erkrankung wurde ursprünglich bei Aras beobachtet. Dabei werden inzwischen längst alle Papageien und fast alle Sittiche (Wellensittiche scheinen nicht empfänglich zu sein) von dieser heimtückischen Krankheit betroffen. Sie ist in den Beständen weit verbreitet und wird dem entsprechend oft bei der Sektion verendeter Vögel nachgewiesen. Jedoch erkranken nicht mehrere Vögel eines Bestandes innerhalb kurzer Zeit, wie es für viele andere Infektionskrankheiten typisch ist. Vielmehr tritt hin und wieder ein Krankheitsfall auf. Dieser verläuft meistens tödlich, wenn er nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird. So ist es durchaus nicht selten, dass sich die Erkrankung über Jahre hinweg unerkannt im Bestand ausbreiten kann.
Inzwischen gilt als sicher, dass ein Virus maßgelblich am Krankheitsgeschehen der PDD beteiligt ist. Im Jahre 2008 konnte dieses Virus als aviäres Bornavirus spezifiziert werden und erst danach konnten geeignete Labortests entwickelt werden. Aus diesem Grund konnte sich das Virus unbemerkt sehr stark verbreiten und stellt aktuell die wahrscheinlich größte virale Bedrohung für Papageien- und Sittichbestände dar. Für den Ausbruch der Erkrankung spielen offensichtlich noch weitere Faktoren eine Rolle (Stress - z.B. durch Futterumstellung, Umverpaarung, Ortswechsel), die in Verbindung mit dem Virus die Krankheit zum Ausbruch bringen (Mehrfaktorenkrankheit).
Krankheitsanzeichen
Für das klassische Krankheitsbild, das heute zunehmend in den Hintergrund tritt, sind folgende Symptome im Endstadium der Erkrankung typisch: ein an Fresssucht grenzender Appetit und das Auftreten unverdauter Körner im Kot, verbunden mit starker Abmagerung. Seit einigen Jahren werden jedoch vermehrt Fälle beobachtet, bei denen eine absolute Verweigerung der Futteraufnahme sowie Erbrechen und Durchfall im Vordergrund stehen (atypisches Krankheitsbild). Außerdem können im Verlauf der Erkrankung neurologische Störungen unterschiedlichen Grades wie Zittern oder Koordinationsstörungen beobachtet werden. Durch diese eher untypischen Symptome ist diese Erkrankung heute schwieriger von anderen Krankheiten unterscheidbar.
Die PDD kann in 3 Verlaufsformen unterteilt werden - akuter, verzögerter und asymptomatischer Krankheitsverlauf:
Ein akuter Krankheitsverlauf zeigt nach einer Inkubationszeit von ca. 1 - 4 Wochen plötzlich auftretende zentralnervöse und/oder gastrointestinale (=den Verdauungskanal betreffende) Symptome. Entweder fressen die Tiere extrem viel und es finden sich die typischen unverdauten Körner im Kot, oder es kommt zu plötzlicher Futterverweigerung mit zentralnervösen Störungen. Manchmal ist dies anfangs nur ein leichtes Zittern, das fast zu übersehen ist, sich aber schnell bis zu krampfähnlichen Anfällen steigern kann. Diese Verlaufsform führt fast immer zum Tod. Der verzögerte Krankheitsausbruch mit überwiegend gastrointestinalen Veränderungen hat eine Inkubationszeit von ca. drei Monaten. Der Appetit nimmt stetig zu und mit der Zeit sind immer mehr und größere unverdaute Körner im Kot auffindbar. Die damit einhergehende Abmagerung fällt oft lange Zeit nicht auf, da durch das Gefieder der Brustmuskel und damit der Ernährungszustand nur ertastbar, aber nicht sichtbar ist. Teilweise sind Zittern und andere zentralnervöse Störungen zu beobachten. Werden solche Vögel rechtzeitig dem Tierarzt vorgestellt, können sie in vielen Fällen noch gerettet werden. Vögel mit asymptomatischem Krankheitsverlauf erscheinen völlig unauffällig. Trotzdem können diese Vögel den Erreger ausscheiden, vor allem über den Kot und Schnabelsekret. Durch extreme Stresssituationen kann es noch nach Jahren zu einem Krankheitsausbruch kommen. Natürlich können auch andere Vögel durch solche Tiere angesteckt werden.
Diagnose
Der Nachweis einer Infektion mit dem aviären Bornavirus gestaltet sich auch aus heutiger Sicht immer noch schwierig. Erst seit Herbst 2009 besteht die Möglichkeit, PCR-(Antigennachweis) und serologische Untersuchungen (Antikörpernachweis) durchführen zu lassen. Aus bislang noch nicht abschließend geklärter Ursache bilden nicht alle infizierten Vögel Antikörper gegen das aviäre Bornavirus. Daher können sie durch eine serologische Untersuchung allein nicht sicher gefunden werden. Deshalb sollten immer gleichzeitig Tupferproben aus dem Kropf und der Kloake mit untersucht werden, aus denen die Viren direkt nachgewiesen werden können. Leider gibt es auch hier zwei Möglichkeiten, die zu einem falsch negativen Ergebnis (infiziert, aber nicht als solches erkannt) führen können: Erstens ist dieses Virus sehr inhomogen. Das heißt, nicht alle Untergruppen werden mit den derzeit zur Verfügung stehenden PCR´s erfasst. Und zweitens ist der bevorzugte Aufenthaltsort der Viren zwar das die Verdauungsorgane versorgende Nervensystem, jedoch können sie sich durchaus auch in nicht oder nur schwer zugänglichen Organen befinden (z.B. Gehirn, Nebenniere, Drüsenmagen). Aus diesem Grund stellt die röntgenologische Untersuchung immer noch einen weiteren wichtigen Baustein bei der komplexen Diagnostik dieser Erkrankung dar. Auf einem Röntgenbild spricht ein erweiterter Drüsenmagen dafür, dass es sich um PDD handeln könnte. Ein weiterer Vorteil der Röntgenuntersuchung ist die gleichzeitige Beurteilungsmöglichkeit innerer Organe wie Leber, Niere, Lunge, Luftsäcke und des Skelettsystems. Von endoskopisch zugänglichen Organen (hauptsächlich Nebenniere, Drüsenmagen und Kropf) kann zur weiteren Absicherung der Diagnose eine Gewebeprobe (Biopsie) entnommen werden und nach den Viren direkt bzw. typischen durch die Viren hervorgerufenen Veränderungen (nichteitrigen Entzündungen) gesucht werden. Diese Untersuchungen sind für die Vögel jedoch deutlich stressiger als die Entnahme von Tupferproben, Blut und Röntgen. Es bedarf daher einer genauen Abwägung, ob Gewebeproben zusätzlich entnommen werden sollen, denn auch sie sind nicht absolut zuverlässig.
Am verendeten Vogel kann durch Heranziehung spezifischer Untersuchungsverfahren die Diagnose gesichert werden. Da der Erreger insbesondere die Nervenstränge des Magen-Darm-Systems befällt, können dort die typischen entzündlichen Veränderungen nachgewiesen werden.
Bekämpfung
Die PDD wird sicher noch für viele Jahre ein Betätigungsfeld für die Vogelmediziner sein, ehe diese Krankheit ihre Gefährlichkeit langsam verliert. In den letzten Jahren haben sich die Behandlungsmöglichkeiten jedoch stark verbessert. Die Therapie stützt sich im Wesentlichen auf 3 Säulen:
1. Steigerung der Verdaulichkeit des angebotenen Futters: Das kann durch Fütterung von leicht verdaulichem Futter (Kochfutter, Pellets) erreicht werden. Für eine Übergangzeit kann eine Sondenernährung mit hoch verdaulichem Futterbrei notwendig werden.
2. Unterstützung des Immunsystems bei der Abwehr des Erregers: Da es sich um eine Mehrfaktorenkrankheit handelt, ist schon viel gewonnen, wenn Stressfaktoren beseitigt und die Haltungsbedingungen optimiert werden. Durch die Gabe von Immunstimulantien wird die Abwehr zusätzlich gestärkt. Mit bestimmten virustatisch wirkenden Medikamenten kann versucht werden, die Virusvermehrung einzuschränken. Der Erreger ist in der Umwelt relativ instabil und damit gut bekämpfbar. Eine Erregerverdünnung ist durch gründliche Reinigung und Desinfektion der Volieren und Käfiganlagen zu erreichen. Virusträger (=potentielle Ausscheider) sollten separiert werden, um den Erregerdruck zu senken.
3. Bekämpfung der durch den Erreger hervorgerufenen Schäden am Nervengewebe: Dies kann durch die Gabe von so genannten Cox-2-Hemmern erreicht werden. Diese hemmen die Entzündungen, welche für die Störungen der Erregungsleitung in den Nervensträngen und damit für die klinische Symptomatik verantwortlich sind.
Alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten müssen genutzt werden, um eine Verbreitung dieser Erkrankung einzudämmen: In verdächtigen Beständen sollten Kontakttiere infizierter, kranker bzw. verendeter Vögel (Käfiggenossen, Geschlechtspartner, Nachkommen) und - je nach Standort im Bestand - auch die nächsten Nachbarn serologisch und durch Kropf- und Kloakenabstriche untersucht werden. Im Interesse der Gesundheit des Gesamtbestandes sollten verdächtige Tiere (besonders solche mit Abmagerung trotz weiterhin guten Appetits und eventuell unverdauten Futterbestandteilen im Kot) isoliert und dem Tierarzt zur Abklärung der Ursache vorgestellt werden. Verendete Vögel sollten zur pathologischen Untersuchung eingesandt werden.
Die Mindestzeit für die Quarantäne neu zugekaufter Vögel sollte mindestens 3 Monate betragen. In dieser Zeit sind die unter „Diagnose“ beschriebenen Maßnahmen durchzuführen. Zur Reduzierung einer Ansteckungsgefahr empfiehlt sich die Verabreichung von immunstimulierenden Medikamenten, die Ergänzung der Nahrung mit auf Vögel abgestimmten Laktobazillen- Vitamin- und Mineralstoffpräparaten sowie - last but not least - die Beachtung der Prinzipien der Haltungshygiene.